Forschungsprojekt: Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus im Bestand der Städtischen Sammlung

Die Städtische Galerie, aus der 2002 das Museum im Kulturspeicher hervorgegangen ist, wurde 1941 gegründet. In diesem Jahr erhielt Heiner Dikreiter (1893-1966), ein aus Ludwigshafen stammender Maler, den Auftrag zum Aufbau einer städtischen Kunstsammlung regionaler Prägung.

Greiner-Weihnachtsurlaub-1941
Greiner-Weihnachtsurlaub-1941
Willi Greiner, Weihnachtsurlaub, 1941, Farbkreide auf Papier

Er lebte seit 1913 in Würzburg und hatte seit den 1920er Jahren das Ziel verfolgt, der Stadt die Notwendigkeit eines Museums für die Kunst des 19. Jahrhunderts und zeitgenössische Kunst nahe zu bringen,

Dikreiter war im Juli 1934, später zurückdatiert auf den 1.5.1933, der NSDAP beigetreten und war zudem Mitglied der NSV. Der Aufbau einer Galerie mit dem Schwerpunkt mainfränkischer Kunst wurde zum wichtigsten Kulturvorhaben der Gauhauptstadt Würzburg. Das NS-Regime vereinnahmte das Projekt, eine Sammlung der in Franken tätigen Künstlerinnen und Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts zusammenzutragen und diese dadurch vor dem Vergessen zu bewahren, im Sinne seiner Ideologie von Volk und Heimat. 

In einer Zeit, in der die Kunst der Moderne – insbesondere die des Bauhaus, des Kubismus und des Expressionismus – als „entartet“ diffamiert und beschlagnahmt wurde, erwarb Dikreiter in großem Maßstab Werke derjenigen Künstler, die von den Nationalsozialisten geschätzt wurden, wie Ferdinand Spiegel oder Hermann Gradl. Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Würzburg fuhr Dikreiter mehrfach zu den Großen Deutschen Kunstausstellungen, um dort Kunstwerke für die Sammlung auszusuchen. 1941 bis 1945 konnte er hier, im Kunsthandel, aus Ateliers und Nachlässen in großem Umfang und mit einem Etat von bis zu 450.000 RM Gemälde, Grafiken und Plastiken erwerben. 

Da Dikreiter noch vor seiner Entnazifizierung bereits ab Januar 1946 und dann, 1950 offiziell bestätigt, bis zu seinem Tod 1966 den Posten des Direktors der Städtischen Galerie inne hatte, sind alle bis dahin erworbenen Bestände sehr von seinen Vorlieben geprägt: Dikreiter passte sich nicht nur während des Dritten Reiches in hohem Maße an die NS-Ideologie an, sondern schätzte auch noch lange nach dem Krieg genau diejenigen Künstlerinnen und Künstler, die bei den Nationalsozialisten hoch im Kurs gestanden hatten, während er der Abstraktion und jeglicher zeitgenössischer Moderne ablehnend gegenüber stand. 

Die Bestände der Kunst aus der NS-Zeit blieben lange unaufgearbeitet und wurden nicht oder – in Unkenntnis ihrer historischen Zusammenhänge – ohne jegliche kritische Wertung in den Sammlungsräumen präsentiert. Es handelt sich um rund 1300 Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen.

Angestoßen durch das von der Stadt Würzburg initiierte Projekt „Dialog Erinnerungskultur“ war es uns ein wichtiges Anliegen, die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses umfänglichen Teils der Sammlung zu leisten und die Ergebnisse einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Mit Hilfe zahlreicher Förderer konnte Dr. Bettina Keß gewonnen werden, die heiklen Bestände in 15 Monaten aufzuarbeiten und ihre Ergebnisse in der Ausstellung "Tradition und Propaganda. Eine Bestandsaufnahme. Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Städtischen Sammlung Würzburg" Anfang 2013 zu präsentieren. Die gleichnamige Publikation dokumentiert nicht nur die Ausstellung, sondern bildet auch eine bleibende Grundlage zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema.
 

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