Städtische Sammlung - Regionale Identität und überregionale Entwicklungen

Der Ruf nach einer Galerie mit einer Städtischen Sammlung kam nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Kreis Würzburger Künstler*innen. Promotor und Vorreiter war der Maler und Kunsterzieher Heiner Dikreiter (Ludwigshafen 1893 - 1966 Würzburg).

Öl auf Leinwand; Ludwig von Gleichen-Russwurm, Schlossgarten in Bonnland, 1897
Öl auf Leinwand; Ludwig von Gleichen-Russwurm, Schlossgarten in Bonnland, 1897

Seit den 1920er Jahren suchte er die Kunst und Kunstschaffenden seiner Zeit in der Gegenwart und im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern und so eine Verbindung zu schaffen zur ruhmreichen künstlerischen Vergangenheit. Im Zuge der Gründung der Städtischen Galerie 1941 begann eine rege Sammlungstätigkeit. In nur wenigen Jahren wurden durch Schenkungen, Nachlässe, private Leihgaben und Ankäufe Werke von Künstler*innen zusammen getragen, die im 19. und 20. Jahrhundert durch Herkunft oder Tätigkeit mit Würzburg und Mainfranken verbunden waren.

Diese Zielrichtung setzte Maßstäbe für die weitere Ankaufs- und Sammlungspolitik. Sie konzentrierte sich über Jahrzehnte auf Werke deutscher, bevorzugt fränkisch-süddeutscher Kunstschaffenden des 19. und 20. Jahrhunderts, auch wenn nach und nach der geographische Rahmen erweitert wurde. Heute orientiert sich die Sammlungstätigkeit stärker an den Schwerpunkten, die sich in der Sammlung ausgebildet haben. Diese vermitteln überregionale Entwicklungen in der Kunst oder rücken einzelne Künstler*innenpersönlichkeiten wie Wilhelm Leibl und seinen Kreis in den Blick.

Öl auf Leinwand; Wilhelm Leibl, Jugendliches Selbstbildnis, um 1861
Öl auf Leinwand; Wilhelm Leibl, Jugendliches Selbstbildnis, um 1861


Ein Schwerpunkt der Sammlung ist der deutsche Impressionismus mit bedeutenden Malern der Berliner Sezession, so Max Slevogt, Robert Breyer, Philipp Frank, Walter Leistikow und Joseph Oppenheimer. Vertreten sind als Künstler der Weimarer Malerschule auch Ludwig von Gleichen-Russwurm und Franz Bunke. Aus Worpswede kam Otto Modersohn zu Malaufenthalten nach Würzburg und Mainfranken. Unterkunft fand er ebenso wie Erich Heckel bei der Malerin Gertraud Rostosky auf dem Gut Zur Neuen Welt in Würzburg. Ihre Werke sind ebenfalls in die Städtische Sammlung eingegangen.

Ein Film-Projekt der Wolffskeel-Realschule unter Leitung von Daniela Brems mit der Kunstvermittlung des Museum im Kulturspeicher stellt die Künstlerin Getraud Rostosky vor.
Der Film war einer der Preisträger beim Landeswettbewerb "Erinnerungszeichen - Geschichte ein Gesicht geben" 2019/2020
Gertraud Rostosky. In Würzburg daheim - in der Welt zu Hauseexterner Link

Öl auf Leinwand; Max Slevogt, Bildnis Robert Breyer, 1896
Öl auf Leinwand; Max Slevogt, Bildnis Robert Breyer, 1896

Öl auf Rupfen; Otto Modersohn, Schloss Wertheim (Weißer Turm), 1924
Öl auf Rupfen; Otto Modersohn, Schloss Wertheim (Weißer Turm), 1924

Mit Hans Reichel (Würzburg 1892-1958 Paris) ist ein Künstler der Moderne in der Sammlung präsent, der – angeregt von Paul Klee und vom Bauhaus – zu poetischen Naturabstraktionen fand. Am Bauhaus geschult war neben Hans Haffenrichter auch Carl Grossberg, ein bedeutender Vertreter der Neuen Sachlichkeit, der zurückgezogen in Sommerhausen am Main lebte. Den Bogen zur modernen Kunst nach 1945 schlagen die Werke des Malers und Zeichners Dieter Stein, der in Würzburg Vorreiter war für eine abstrahierende Kunst und der bereits 1955 mit den Kunstschaffenden des deutschen Informel in Japan ausstellte.

Ein weiterer Höhepunkt der Städtischen Sammlung ist der Nachlass der Bildhauerin Emy Roeder (1890 Würzburg – 1971 Mainz). Die documenta-Teilnehmerin zählt zu den bedeutendsten Vertretern einer figürlichen Plastik der Moderne. Mit ihren Skulpturen und Zeichnungen sowie Werken ihrer Künstlerfreunde Hans Purrmann, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff fand in den 1970er Jahren die Kunst der klassischen Moderne Eingang in die Städtische Sammlung. Anknüpfend an ihr Wirken erweiterte sich die Sammlung um plastische Arbeiten von Joannis Avramidis, Stephan Balkenhol, Hermann Glöckner, Magdalena Jetelová, Joachim Koch, Mischa Kuball, Camill Leberer, Nobert Radermacher und Rudolf Wachter.

Die Städtische Sammlung, die stets auch mit Schenkungen bedacht wird, umfasst neben Gemälden und Plastiken einen großen Bestand von ca. 20 000 graphischen Blättern sowie Korrespondenzen und Nachlässe u.a. von Ludwig von Gleichen-Russwurm, Hugo von Habermann, Hans Haffenrichter, Hans Reichel, Emy Roeder und Gertraud Rostosky.

Bis zu ihrem Einzug in das Museum im Kulturspeicher hatte die Städtische Sammlung von1970 bis 2002 ihr erstes eigenes Domizil in der ehemaligen Städtischen Galerie am Paradeplatz. Im Kulturspeicher, der Nachfolgeinstitution, steht dieser öffentlichen die private Sammlung Peter C. Ruppert. Konkrete Kunst in Europa nach 1945 gegenüber.

In Struktur und Geschichte könnten beide Sammlungen nicht unterschiedlicher sein: im vom Haupteingang aus linken Gebäudetrakt präsentiert sich eine Kunstrichtung, die, einem geistigen Konzept folgend, grenzüberschreitend agiert. Auf der rechten Seite sind Kunstwerke unterschiedlichster Stilrichtungen versammelt, die vielfach einem regionalen Kontext entstammen und der Tradition und dem Figurenbild verpflichtet sind.

Öl auf Leinwand; Curd Lessig, Zollhaus, 1954
Öl auf Leinwand; Curd Lessig, Zollhaus, 1954

Öl auf Sperrholz; Dieter Stein, Bild 8/53, 1953
Öl auf Sperrholz; Dieter Stein, Bild 8/53, 1953

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